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Klassische Musik

Regurdientschas – Erinnerungen von Maestro zu Maestro


Es ist für mich jedes Mal eine besondere Freude, nach den Konzerten mit dem Publikum zu plaudern und über unseren Auftritt zu sprechen. Dabei bekomme ich oft Komplimente für das interessante und originelle Programm. Viele Zuhörer sind überrascht, bekannte symphonische Melodien als Vokalwerke zu hören. Von meiner Arbeit als Bearbeiter und Komponist habe ich ja bereits in den letzten Ausgaben der «Novitads» ausführlich berichtet.


Apropos Erinnerungen: Ich habe mein Versprechen aus der letztjährigen «Novitads» nicht vergessen. In den grossen Abschlusskonzerten unseres Jubiläumsjahres werden wir unseren Pianisten Christoph Demarmels im ersten Satz des ersten Klavierkonzertes von Ludwig van Beethoven als singendes Orchester begleiten.


Es reicht jedoch nicht, nur gute Ideen zu haben, denn solche Orchesterwerke mit der menschlichen Stimme und einem dazu passenden Text zum Klingen zu bringen, benötigt geeignete Interpreten. Es braucht also Sängerinnen und Sänger, die das Zeug haben, die Intentionen des Komponisten so umzusetzen, als hätte dieser ursprünglich für unsere Formation komponiert. Deshalb gehört die Pflege und die Ausbildung unserer Stimmen seit jeher zu meiner wichtigsten Arbeit.


Nachdem ich vor vielen Jahren meine Tätigkeit als Klavierlehrer und Dirigent zurückstellen musste, begann meine Ausbildung zum Opernsänger: von Maestro zu Maestro. Meine Erinnerungen an diese Zeit sind so zahlreich, dass ich ein ganzes Buch darüber verfassen könnte.


Im Jahr 1978 hatte ich neben dem Klavier- auch mein Gesangsstudium am Konservatorium Zürich abgeschlossen und dachte, dass ich nun gross als Sänger durchstarten könnte. Doch bei meinem ersten Meisterkurs bei der Kammersängerin Sena Jurinaç wurde ich schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Ich sang ihr selbstbewusst und optimistisch die Arie des Nabucco vor, doch sie erwiderte nur: «Um Gottes Willen! Wo haben Sie denn das gelernt?» Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, dass mein Weg zum Sänger noch lang werden würde.


Nach jedem Vorsingen bei einem neuen Lehrer musste ich mir stets dasselbe anhören: «Tutto sbagliato, rincominciamo di nuovo!» Es war und ist heute noch das Motto vieler Maestros, das von den anderen Lehrern Erlernte als falsch zu deklarieren. So habe ich widerstandslos immer wieder von vorne angefangen und versucht, die Methode des neuen Maestros umzusetzen in der Hoffnung, dieses Mal definitiv erfolgreich zu sein.


Später habe ich erfreulicherweise festgestellt, dass ich von jedem meiner Maestros etwas Wichtiges dazulernen konnte. Wenn ich nun mit meinen Schülerinnen und Schülern arbeite, bin ich dankbar um jede Erfahrung, die ich bei jedem von ihnen machen durfte: Eine Vokalise alla Cechatelli, eine Übung nach Del Monaco und eine gemäss Bardini, verbunden mit einem Legato von Bergonzi, ist genau das richtige Rezept, das den Mitgliedern der La Compagnia Rossini zu einer Gesangstechnik verhilft, unser Repertoire im Sinne der Komponisten zu interpretieren.


Mein langer und mühsamer Weg von Maestro zu Maestro hat sich gelohnt. All diese Erinnerungen sind tief in mir verankert und sind für mein heutiges Schaffen als Sänger und Gesangslehrer immer noch eine enorme Bereicherung.


Armin Caduff

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